ÜBER MEINE PERSON

Mein Interesse am Menschen war früh erwacht. Es äusserte sich in der Kindheit auf eine noch unbewusste Weise. Meine bevorzugte Tätigkeit im Schulalter bestand im Lesen von Belletristik unterschiedlichster Kulturkreise. Lebensweisen, mögliche Formen zwischenmenschlicher Beziehungen und unterschiedliche Arten von Persönlichkeiten faszinierten mich. Die russische Literatur hatte es mir dabei besonders angetan. Im Alter von 14 Jahren hatte ich alles an russischer Literatur zusammengekauft, was in deutscher Übersetzung erhältlich war. Daneben hatte ich einen unersättlichen Wissensdurst. So las ich die ganze Bibel und den 6-bändigen Brockhaus von A – Z durch, was Eltern, Verwandte und Bekannte reichlich kurios fanden. Nach der Primar- und Sekundarschule besuchte ich das naturwissenschaftliche Gymnasium in Winterthur. Von den Naturwissenschaften erhoffte ich mir, die Welt und vor allem den Menschen etwas besser verstehen zu können. Noch während der Gymnasialzeit begann ich, an einem kleinen Regionalspital als Pfleger zu arbeiten. Das Drama des leidenden Menschen übte eine unglaubliche Faszination auf mich aus.

 

Von 1963 – 1970 studierte ich an der Universität Zürich Medizin, unterbrochen durch einen Studienaufenthalt an der University of Wisconsin (Madison). Unter allen Studienrichtungen erwartete ich vom Medizinstudium am ehesten ein tieferes Verständnis für den Menschen. Im Studium machte ich jedoch eine merkwürdige Erfahrung: Eine immense Vielfalt an Phänomenen körperlicher und psychischer Art breitete sich vor mir aus. Mein Wissen über den menschlichen Organismus nahm ständig zu und mein Fragenkatalog vergrösserte sich in beängstigender Weise, eine tiefere Einsicht wollte sich jedoch nicht einstellen.

 

Nach dem Staatsexamen arbeitete ich auf der Abteilung für Hämatologie des Universitätsspitals Zürich (Prof. W. Straub). Es gelang mir, erstmals einen erworbenen Hemmkörper gegen Faktor IX bei einem Patienten mit Autoimmunkrankheit nachzuweisen und einen Test zur Erfassung intravasaler Gerinnung zu entwickeln.

 

Von 1971 – 1974 absolvierte ich meine Fachausbildung in Pädiatrie am Universitäts-Kinderspital Zürich. 1974 trat ich in die Abteilung Wachstum und Entwicklung ein. Prof. Andrea Prader wurde mein Lehrmeister, der mich in die Phänomenologie der kindlichen Entwicklung einführte. Damit begann ich mich mit der vielschichtigen Frage zu beschäftigen, die mich bis heute nie mehr losgelassen hat: Wie entwickeln sich Kinder? Um mir zusätzliches Grundwissen anzueignen, besuchte ich verschiedene Zentren in Europa, die sich mit der kindlichen Entwicklung und deren Störungen beschäftigen, wie das Newcomen Center am Guy‘s Hospital London und das Department of Developmental Neurology an der Universität Groningen.

 

Von 1976 – 1978 arbeitete ich als Stipendiat des Schweizerischen Nationalfonds in der Child Development Unit (Prof. H.A. Parmelee) an der University of California in Los Angeles. Die UCLA war ein idealer Ausbildungsort, um mich in verschiedensten Fachbereichen wie Entwicklungspsychologie, Kinderpsychiatrie und Pädagogik weiterzubilden und mir ein möglichst umfassendes Bild über die kindliche Entwicklung zu verschaffen. Wissenschaftlich beschäftigte ich mich in diesen zwei Jahren mit der Entwicklung des symbolischen Denkens und der Sprache in den ersten Lebensjahren. Ich besuchte verschiedene führende Zentren in den USA (Child Development Unit, Children’s Hospital Boston, Prof. B.T. Brazelton; Child Development Unit, General Hospital Cleveland, Prof. M. Klaus; Department of Psychology, University Berkley, Prof. M. Eichhorn).

Seit meiner Rückkehr 1978 an die Abteilung Wachstum und Entwicklung galt mein wissenschaftliches Interesse den Zürcher Longitudinalstudien und weiteren Entwicklungsstudien. Die Besonderheit dieser Studien liegt darin, dass die Entwicklung bei mehr als 900 Kinder von der Geburt bis ins Erwachsenenalter dokumentiert wurde. Dabei wurden alle wichtigen Entwicklungsbereiche wie Sprache, Motorik oder Sozialverhalten erfasst. Solche Longitudinalstudien sind extrem zeitaufwendig und kostspielig. Sie stellen aber die einzige Möglichkeit dar, wesentliche Fragen der kindlichen Entwicklung zu beantworten, insbesondere solche über die Kontinuität in der Entwicklung. Wird beispielsweise ein Kind, welches in den ersten Lebensjahren weiter entwickelt ist als andere Kinder, im Schulalter und in der Adoleszenz höhere intellektuelle Leistungen erbringen?

 

Die gesammelten Daten bildeten die Grundlage für das Studium des Wachstums und der Entwicklung. Wir versuchten in jedem Entwicklungsbereich die individuellen Verläufe zu beschreiben und die Vielfalt unter den Kindern (interindividuelle Variabilität, z.B. unterschiedliche Körpergrösse gleichaltriger Kinder) darzustellen. Eine weitere wesentliche Einsicht der Datenanalyse war, dass die Vielfalt unter den Kindern, sondern auch beim einzelnen Kind ausserordentlich gross sein kann. Diese sogenannte intraindividuelle Variabilität drückt sich darin aus, dass ein Kind in den verschiedenen Entwicklungsbereichen wie Motorik und Sprache nicht gleich begabt ist. So gibt es Kinder, die sprachlich weiter entwickelt sind als motorisch, bei anderen Kindern ist es genau umgekehrt. Im Weiteren ging es darum, aus den Einzelverläufen die Gemeinsamkeiten herauszulesen und damit Gesetzmässigkeiten und Umweltfaktoren, welche die kindliche Entwicklung bestimmen, aufzufinden. Wie wirken sich beispielsweise Geburtskomplikationen oder ungünstige familiäre Verhältnisse langfristig auf die Entwicklung der Kinder aus?

 

 

 

Meine Herkunft und meine Familie. Die Familie meines Vaters wanderte 1912 von Norditalien nach Schwanden im Kanton Glarus ein. Mein Vater kam 1915 als letztes von 9 Kindern auf die Welt. Da seine Eltern innerhalb von drei Jahren verstarben, der Vater an der Spanischen Grippe, die Mutter an Tuberkulose, wuchs mein Vater als Vollwaise mit 9 Geschwistern auf. Meine Mutter, Amalia Zweifel, wuchs in einer Familie mit 3 Geschwistern ebenfalls im Glarnerland auf. Auch in ihrer Familie war der familiäre Zusammenhalt gross. In einer Grossfamilie mit vielen Onkeln und Tanten, sowie zahlreichen Cousins und Cousinen aufzuwachsen, hat mich wesentlich geprägt.

1971 heiratete ich Silvia Wolfer. In den folgenden Jahren kamen unsere Kinder Eva, Kathrin und Johanna auf die Welt. 1984 trennten wir uns einvernehmlich; die engen familiären Beziehungen blieben jedoch erhalten. Anfänglich lebten die Kinder bei ihrer Mutter, dann bei mir. 1985 heiratete ich Brigitt Renz. Sie war mir eine grosse Hilfe bei der Betreuung der Kinder. Wir haben vier Enkelkinder, Jana und Remo, Miguel und Arón. Meine Familie hat mich in den vergangenen Jahren immer in meiner Tätigkeit bestärkt und meinen Projekten stets Interesse entgegengebracht. Auf ihre Geduld und Unterstützung durfte ich auch in schwierigen Zeiten, insbesondere auch wenn meine Gesundheit massiv beeinträchtigt war, immer zählen.

Die grösste Bereicherung in meinem Leben waren für mich als Arzt und Wissenschaftler die Kinder. Sie haben mich in meiner langjährigen klinischen und wissenschaftlichen Tätigkeit das Staunen über das menschliche Wesen und seine Welt gelehrt. Sie haben mir geholfen zu verstehen, wie sich die Grundbedürfnisse, Kompetenzen und Vorstellungen ausbilden, die den Menschen ausmachen und wie die Menschen jeden Alters sich unablässig bemühen, ein passendes Leben zu führen. Ganz entscheidend waren dabei auch die Erfahrungen, die ich als Vater von drei Töchtern und vier Enkelkindern machen durfte. Wie wunderbar ist es doch mitzuerleben, wie die Kinder grösser werden und die Welt entdecken. Als Vater ist es mir besonders bewusst geworden, wie überaus wichtig es ist, die Lebensfreude der Kinder, ihr nie nachlassender Drang ihre Begabungen zu entfalten, und ihr unverfälschtes Wesen zu bewahren. Die Kinder haben mich gelehrt, was für das ganze Leben gilt: Der Sinn des Lebens besteht darin seine Individualität in Übereinstimmung mit der Umwelt zu leben.

 

Curriculum Vitae